Die Pferde wurden über viele Jahre fast überwiegend als Zugtiere eingesetzt. Entsprechend dieser Verwendung wurden weitgehend schwere Pferde gezüchtet. Der Begriff Rassepferde wird für den Ellwanger Raum in Bezug auf die Pferde von König „Lustick“ erstmals verwendet.
1815 Sanspareil – ein „Königspferd“
Vom 16. September 1815 bis 7.August 1816 wohnte Jerome, der Bruder von Napoleon Bonaparte, mit seiner Frau Catharine, Tochter des Kurfürsten von Württemberg, auf dem Schloß Ellwangen. Mit dem Sturz von Napoleon im Jahre 1812/1813, durch die Erhebung des deutschen Volkes, verlor auch König Jerome Bonaparte seinen Thron als König von Westfalen. Die Zufluchtstätte in Ellwangen wurde der Familie vom Schwiegervater Jeromes besorgt. Die Familie mit einem Hofstab von 40 Personen und einem Marstall von 40 Pferden fand hier eine vorübergehende, standesgemäße Bleibe.
Wie schon in Kassel führte Jerome auch in Ellwangen ein sorgloses Leben. In einer vorübergehenden finanziellen Verlegenheit wurde von dem gestürzten Monarchen der Hengst Sanspareil an einen Röhlinger Gutsbesitzer verkauft. Wie lange und bei welchen Bauern in Röhlingen Nachkommen des Hengstes gezüchtet wurden, läßt sich nicht mehr nachvollziehen. Laut Überlieferung wurden bis zur Jahrhundertwende in der Gegend von Neunheim ausgezeichnete Füchse gezüchtet. Diese galten als Nachkommen von Sanspareil.
1826 Deckhengste für Ellwangen
Nach einem Dokument aus den Unterlagen des Landesgestüts wurde von der Stadt Ellwangen 1826 ein Beschälstall gebaut und vermietet. Das Dokument hat folgenden In- halt:
„Im Jahre 1826 ist von der Amtskorporation Ellwangen mit einem Aufwand von 2350 fl. ein Beschälerstall mit 5 Ständen und Sprunghütte erbaut und dem Landesgestüt zur ausschließlichen Benutzung unter der Bedingung überlassen worden, daß die Unterhaltungskosten der Gebäulichkeiten insolange von der Landesgestütskasse getragen werden, als dasselbe für die Zwecke des Beschälbetriebs benutzt wird. Dabei wurde weiter bestimmt, daß, wenn das Landesgestüt außerhalb der Beschälzeit einzelne Teile der Beschällokalitäten vermieten sollte, der Mietzins dafür in die Landesgestütskassefließe.“
Auszug aus der Beschreibung des Oberamtes:
Die Pferdezucht soll in früherer Zeit im Ellwangenschen bedeutender gewesen und ein starker Stamm gezüchtet worden sein. Wie der Aufzucht das frühere Lehensystem, das die größeren Güter mit ihren Viehheiden geschlossen erhielt, günstig war , so gab es durch den weit und breit berühmten sogenannten Kalten Markt, welcher in der Haupt- und Residenzstadt des Fürstentums abgehalten wurde und von jeher in erster Linie Fohlenmarkt war, die erwünschte Verkaufsgelegenheit. Dieser Markt beginnt mit dem ersten Montag nach dem Erscheinungsfest (6.Januar) und dauerte früher vier Tage, wobei die zwei ersten Tage in der Art dem Roßmarkt gewidmet waren, daß vor dem Abend des zweiten Tages kein zu Markt gebrachtes Pferd die Stadt verlassen durfte.
Wie der Pferdestamm des Bezirks allmählich zurückging, indem er zu fein und die jungen Tiere zu schmal und hochbeinig wurden, so hat auch der Roßmarkt des Kalten Marktes übrigens neben anderen Gründen, insbesondere durch Errichtung von Konkurrenzmärkten, wie des Stuttgarter Pferdemarktes, allmählich viel von seiner früheren Bedeutung verloren. Doch hat sich die Pferdezucht des Bezirks durch eine geeignetere Zuchtrichtung des Landbeschäler – Instituts, welches jetzt stärkere und besetztere Hengste auf die Ellwanger Beschälplatte liefert, neuerdings wieder gehoben, obgleich der frühere Stand , welcher neben der Beschälstation in der Stadt eine inzwischen abgegangene zweite Beschälplatte im Bezirk zu Unterschneidheim seiner Zeit nötig gemacht hatte, noch nicht wieder erreicht ist und der fortschreitenden Teilung und Zersplitterung der grösseren Güter auch schwerlich mehr erreicht werden wird. Nach einer dem Verfasser dieses Abschnitts vorliegenden amtlichen Übersicht über den Beschälbetrieb an der Beschälstation Ellwangen während der Periode 1852 bis 1884, gehören die bis jetzt erreichten höchsten Zahlen der zugeführten Stuten mit 232 und 233 Stück den Jahren 1864 und 65 an. Von da gingen die Zahlen zurück bis auf 85 im Jahr 1869, um sich allmählich wieder zu heben: 1881 auf 211, 1882 auf 231, 1883 auf 206, 1884 auf 224 Stuten vom ganzen Bezirk, während früher ein großer Teil der Zuchtstuten der Juraterrasse und des Rieses auf die Station Unterschneidheim geschickt und dort gezählt worden war.
Die Viehzählung vom 10. Januar 1883 hat über Pferdehaltung und Pferdezucht des Bezirks folgende, mit dem Stand von 1873 in Vergleichung gesetzte Zahlen geliefert:
1883 1873
Fohlen unter 1 Jahr
167 Stück 86 Stück
Pferde 1 bis 2-jährig
124 Stück 91 Stück
Pferde 2 bis 3-jährig
63 Stück 41 Stück
Pferde 3-jährig und älter
1355 Stück 1497 Stück
Gesamtzahl
1709 Stück 1715 Stück
Unter den einjährigen Fohlen sind 124 Stück im Jahr 1882 „im Hause geborene“ begrif- fen. Aus diesen Zahlen läßt sich ableiten: Während der Pferdebestand von beiden Zählungen in der Gesamtzahl sich beinahe gleich steht, weist die Zählung von 1883 gegenüber derjenigen von 1873 an jungen Pferden bis zu drei Jahren eine Zunahme von 136 und an älteren Pferden über drei Jahre eine Abnahme von 142 aus. Dies bestätigt die notorische Tatsache, daß der Ellwanger Bauer die teure Pferdehaltung für Arbeitszwecke einschränkt, um sie durch die wohlfeilere Ochsenhaltung zu ersetzen, sowie daß er seine Pferdehaltung, soweit er dieselbe nicht abschaffen kann oder will, dadurch sich wohlfeiler zu machen sucht, daß er nach altem Brauch Zucht damit verbindet. Weiter ist aus der Zahl der 1882 im Haus geborenen Fohlen im Verhältnis zu der Zahl der Fohlen unter einem Jahr überhaupt ersichtlich, daß die Zahl der aus Bayern, namentlich Altbayern, bezogenen abgesetzten Gangfohlen sich neuerdings vermindert hat, nachdem das Landbeschäler- Institut dem Begehren des bäuerlichen Pferdezüchters nach stärkeren Pferden, welche sich lange genug wie in der Benützung der benachbarten bayrischen Beschälplatten seitens der Grenzorte, so auch in dem beliebten Zukauf von bayrischen Arbeitspferden ausgesprochen, Rechnung getragen hat; endlich aus den reduzierten Zahlen der 1 – 3-jährigen Fohlen, daß immer noch im Ellwangenschen der alte Gebrauch besteht, von der erhaltenen Nachzucht dem größeren Teil am Kalten Markt 1 – 3-jährig zu verkaufen und nur von den Stutfohlen zur Nachzucht der Zuchtstuten einen Teil zu behalten.
1883
Nach einem weiteren Dokument von der Landesgestüts- verwaltung wurde der Beschäl- stall in Ellwangen nebst Sprunghütte 1883 renoviert und erneut an das Landesgestüt verpachtet. Es kann davon ausgegangen werden, daß in Ellwangen seit 1826 eine Beschälstation besteht. Je nach Bedarf wurde die Anzahl und die Rasse der Hengste variiert.
In Röhlingen und seinen Teilorten gab es im Gemeindevergleich im Oberamt Ellwangen oder später im Kreis Aalen schon immer viele Pferde. Nach dem II.Weltkrieg wurden vom Landesgestüt auf der Beschälplatte Ellwangen bis zu vier und in Wasseralfingen bis zu drei Hengste eingesetzt. In diesen Jahren war der Württemberger Hengst Spieser ein guter Vererber der von Fahrern und Reitern gewünschten Eigenschaften.
Auf der Ellwanger Beschälplatte wird weiterhin neben den Warmbluthengsten, ein Kalt- bluthengst aufgestallt. Die Deckstation in Wasseralfingen war bis zu ihrer Auflösung 1971 mit zwei Hengsten besetzt.
Die Kaltblüter, bekannt als kraftvolle Zugtiere, werden in Röhlingen schon seit vielen Jahren nicht mehr gezüchtet und gehalten. Für Reiter und Züchter sind ausschließlich die leichteren Warmblutpferde interessant. Seit ca. 10 Jahren werden auch Haflingerpferde im Raum Röhlingen als Reit- und Fahrpferde gerne eingesetzt. Ein Haflingergestüt besteht bei der Familie Abele in Rötlen.
Die erfolgreiche Pferdezucht erfordert heute mehr denn je detaillierte Kenntnisse über Zuchtziel und Zuchtlinien. Der erfolgreichste Pferdezüchter in unserer Vereinsgeschichte war Josef Pfitzer aus Neunheim (+ 16. März 1999). Mehrere Pferde aus seiner Zucht sind im nationalen und internationalen Pferdesport erfolgreich. Für seine züchterischen Erfolge wurde er mit der FN- Medaille in Gold ausgezeichnet.